Ausreisezentrum Motardstr. 101a
 
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In der Motardstr.101 a im Industriegebiet Berlin-Spandaus wird schleichend ein Ausreisezentrum eingerichtet!!!


Hintergrund:

Der rot-rote Berliner Senat behauptet bis heute, es gäbe in Berlin keine Pläne zur Errichtung eines Ausreisezentrums. Die „Verwaltung“ der Berliner Flüchtlinge erfolgt in den ersten 3 Monaten über das Land Berlin, danach werden die Flüchtlinge nach Geburtsdatum an die Bezirke b.z.w. deren Sozialämter verwiesen. Bis Anfang letzten Jahres taten sich einige Sozialämter – vor allem Berlin-Mitte – dadurch hervor, dass sie Flüchtlingen jegliche Leistung verweigerten, also geld- und obdachlos fortschickten. Der Hintergrund hierfür ist der §1a Asylbewerberleistungsgesetz. Dieser Paragraph besagt, dass Flüchtlingen die Leistungen gekürzt werden dürfen, wenn

a) ihnen unterstellt wird, sie seien nur in die BRD eingereist, um ALG II zu erhalten oder

b) sie würden nicht genügend bei der Passbeschaffung mithelfen (Mitwirkungspflicht), um ihre eigene Abschiebung zu erleichtern.

Das Ermessen, wann dies der Fall ist, obliegt dem jeweiligen Sozialamt. Dies hatte zur Folge, dass in Berlin ca. 1000 Flüchtlinge auf der Straße saßen.

Die Ausführungsverordnung:

Nach Protesten gegen diese Willkür entschloss sich die Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner, eine Ausführungsverordnung zur erlassen. Sie trat am 18.1.2006 in kraft. Zwar untersagt diese AV den Sozialämtern den Betroffenen nach §1a die Leistungen gänzlich zu streichen, bietet aber gleichzeitig einen faulen Kompromiss: Die Einweisung bei Vollverpflegung in die Motardstr.101a. Angeblich hätte Ehrhart Körting, der Berliner Innensenator dies so gefordert. Aber: Was hat der Innensenator damit zu tun? Die landesinternen Regelungen zum Ausländer- und Asylrecht liegen klar bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Entweder also eine krasse Überschreitung seiner Kompetenzbereiche und ein peinliches Eingeständnis ihm gegenüber seitens Knake-Werners oder eine billige Ausrede.

Die Motardstr.101 a

Die Motardstr. 101 a war ursprünglich die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge (ZASt). Hier wurden ausschließlich Flüchtlinge untergebracht, die gerade in die BRD eingereist und nach Berlin verwiesen wurden. Die Frist der Unterbringung entspricht der, der Zuständigkeit des Landes Berlin für die Neuankömmlinge, nämlich 3 Monate. Länger ist es dort auch absolut nicht auszuhalten, denn das Barackenlager liegt im tiefsten Industriegebiet Spandaus, fern jeglicher Infrastruktur. Normalerweise wird den Flüchtlingen auch kein BVG-Ticket zugestanden, weswegen sie auch keine Möglichkeit haben in die Innenstadt zu gelangen. Schlimm genug. Fraglich ist überhaupt, warum eine ZASt so aussehen muss, warum die Menschen nicht einfach in einem zentral gelegenen normalen Wohnhaus untergebracht werden können. Zudem gibt es in der Motardstraße keine Beratungsstelle, keine hinreichende medizinische Versorgung und keine Möglichkeit einen Deutschkurs zu machen. Dafür allerdings gibt es Vollverpflegung, Ratten und Kakerlaken.

Vollverpflegung und Dussmann

Vollverpflegung ist eine der Möglichkeiten, das Sachleistungsgesetz für AsylbewerberInnen umzusetzen. Dieses ist allerdings Auslegungssache. In manchen Landkreisen/Städten/Bezirken wird Bargeld ausgegeben, in manchen Gutscheine oder Chipkarten und in manchen werden die Flüchtlinge in Sammellager eingewiesen und erhalten Fresspakete oder Vollverpflegung. (Bei Fresspaketen (Lebensmittelpaketen zum selber kochen) ist es schon vorgekommen, dass eine 12köpfge Familie 12 Flaschen Essig und Öl erhielt, aber keinen Salat…) Vollverpflegung bedeutet, dass die Menschen fertig gekochtes Essen bekommen. Dabei wird meistens keine Rücksicht genommen auf eventuelle Krankheiten (Diabetes, Nierenschwäche, Herzkrankheiten u.a., die besondere Kost erfordern), genauso wenig wie auf religiöse sowie persönliche Essgewohnheiten (koscher, vegetarisch/vegan, Unverträglichkeiten oder einfach Ernährungsgewohnheiten…). Es gibt morgens einen Brotbeutel, mittags ein warmes Aluschalenessen und abends wieder einen Brotbeutel. Abgesehen davon, dass keine Rücksicht auf Ernährungsgewohnheiten genommen wird, reicht die Kalorienzufuhr für einen aktiven Erwachsenen nicht aus, ebenso wenig wie der Vitaminbedarf. Vollverpflegung ist also eine der miesesten Umsetzungsformen des Sachleistungsgesetzes. Das Catering übernimmt in der Motardstr. die Firma Dussmann, die auch dafür bekannt ist, ihre Büroräume an den Verfassungsschutz vermietet und die Fußwege vor ihrem „Kulturkaufhaus“ gekauft hat, um sie per Video überwachen zu lassen. Sie verdient also nicht nur an Büchern, sondern auch an Überwachung und dem Elend von Flüchtlingen.

Und warum Ausreisezentrum?

Abgesehen davon, dass hier nun also Menschen mit Duldung und der Zwangsmaßnahme nach §1 a eingewiesen werden, also Menschen, deren Chance relativ gering ist, in der BRD doch noch ein dauerhaftes Bleiberecht zu bekommen, ist die Unterbringung ein weiteres Mittel, die Flüchtlinge unter Druck zu setzen. Die Hoffnungslosigkeit soll sich manifestieren. Das de facto Gefangensein im Industriegebiet durch fehlendes Bargeld und BVG-Ticket, das Arbeitsverbot, das schlechte Essen, die mangelnde Beratung, die Kontrollen am Eingangstor sollen den Flüchtlingen deutlich machen, dass sie hier zwar existieren, aber nicht leben können. Dies verursacht Krankheiten – physische, psychosomatische und psychische. Viele der Menschen sind depressiv oder apathisch.

Das DRK Westfalen-Lippe schreibt in seinem Konzept zu Ausreisezentren: „mit Methoden der Sozialarbeit [soll]zunächst versucht werden, diesen Menschen die Perspektive einer Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland als unrealistisch herauszustellen … Dem ausreisepflichtigen Ausländer ist klarzumachen, dass ihm unausweichlich die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland bevorsteht. Der damit verbundene, emotionale und kognitive Prozess, den er hier durchmacht (wenn er entsprechend „erreicht“ wird) vollzieht sich innerhalb der Aufnahmeeinrichtung. Damit einhergehende Prozesse und Gemütszustände – von Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und ggf. Depression bis hin zu Rebellion, Aggressivität und verzweifelten Versuchen, eine Änderung des Beschlusses herbeizuführen – sind verständlich und vorhersehbar.“

In die Motardstr. werden Menschen schon eingewiesen, bevor sie überhaupt ausreisepflichtig sind. Es gibt zwar keine offiziellen Zimmerkontrollen und Zwangsrückkehrberatungen und Anwesenheitspflicht besteht „nur“ dadurch, dass die Leute ansonsten eben nichts zu essen haben, ansonsten entsprechen die Bedingungen aber sehr genau denen der Ausreisezentren.

Die soziale Senatorin

Frau Knake-Werner bestreitet vehement die Funktion der Motardstraße als Ausreisezentrum – sicher, denn sie hat es ja letztlich zu verantworten, dass diese Funktionserweiterung überhaupt möglich war. Nachdem Spandau nach langen Kämpfen endlich die Chipkarten abschaffen musste, weil Sodexho, der Betreiberkonzern aus Effizienzgründen kündigte, entschloss sich, alle Flüchtlinge, die vorher aus „Strafmaßnahmen“ Chipkarten erhielten (und noch mehr), in die Motardstraße einzuweisen. Bis jetzt wurde dies noch nicht vollständig umgesetzt, aber das ist wohl nur eine Frage der Zeit. Flüchtlinge, die vorher in eigenen Wohnungen lebten und Bargeld erhielten, wurden mit Vollverpflegung in die Motardstraße eingewiesen. Heidi Knake-Werner leugnet jegliche Verantwortlichkeit. Dies liege im ermessen der Bezirke. Natürlich tut es das auch, liebe Frau Knake-Werner, nur dass die Bezirke diese Option überhaupt haben, haben SIE ermöglicht! Also stellen Sie sich endlich ihrer Verantwortlichkeit!

Auf die andauernden Proteste antirassistischer Gruppen und auch ihrer Parteibasis (PDS) hin, entschloss sich die Senatorin zu einer Besichtigung der Motardstraße. Zu kritisieren hatte sie schließlich nur einen fehlenden Duschvorhang, die Löcher in den Duschentüren, die nicht abschließbaren Schränke, das Ungeziefer, das miese und mangelhafte Essen etc. schienen für sie Normalität zu sein.

Natürlich sind die Zustände in der Motardstraße unhaltbar – so wie in nahezu jedem Lager – und natürlich gehört sie sofort geschlossen, sowohl als Ausreisezentrum als auch als ZASt. Aber es geht uns vor allem darauf, dass die Funktion – nämlich als Ausreisezwangsmaßnahme – generell abgeschafft gehört! Kein Ausreisezentrum in Spandau! Auch nicht in Berlin und überhaupt nirgendwo!!!

Die lapidaren Erklärungen der Handlanger der Senatorin, Berlin sei verpflichtet eine ZASt zu betreiben, sind sowohl richtig, als auch völlig belanglos, da es nicht um die ZASt an sich geht, sondern erstens um die Motardstraße als Lager und zweitens um die Funktion als Ausreisezentrum. Schamlos antwortete Andreas Bossmann von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales: „Die Einrichtung Motardstraße dient neben der Unterbringung von Asylbewerbern in der ersten Phase der Antragstellung auch der Unterbringung anderer Personenkreise, um einen kostenaufwendigen Leerstand zu vermeiden. … An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass der Berliner Rechnungshof vehement die Berliner Bezirke aufgefordert hat, das Sachleistungsprinzip strikt einzuhalten.“

Dies hat der Rechnungshof mit Sicherheit getan, da Sachleistungen und Heimunterbringung wesentlich teurer sind als Wohnungen und Bargeld. Der Tagessatz in der Motardstraße pro Person beläuft sich auf 10,95 € - also 328,50 €/Monat ohne Vollverpflegung und auf 17,22 €/Tag/Person mit Vollverpflegung – also 516,66 €/ Monat. Und dies ausschließlich für Unterkunft und Essen! Die Aufgabe des Rechnungshofes ist es natürlich, sinnlos Geld zum Fenster heraus zu werfen. Auch hier wird wieder jede Spur von Verantwortung seitens der Senatsverwaltung weit von sich gewiesen.

Wir fordern: Schluß mit den seichten Ausreden! Heidi Knake-Werner muss ihre Verantwortlichkeit endlich einsehen und eingestehen! Motardstraße schließen! Wohnungen und Bargeld für alle! Gleiche Rechte für alle!!! Grenzen auf für alle!!!


 
 
   
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